Elmar Schwenke beschreibt die Zeit des Ostrock aus Sicht des Musikers, der diese Zeit ab Mitte der 1970er Jahre hautnah miterlebt hat.
Angefangen vom Amateurmusiker, der nebenberuflich in einer Lichtpauserei arbeitete, bis hin zum Profimusiker. Letzteres war schlichtweg der Traum eines jeden DDR-Musikers. Denn dann war man frei, so frei wie man freier nicht sein konnte in der DDR. Insofern waren Rockmusiker wie die Einäugigen unter den Blinden und auch die Verdienstmöglichkeiten lagen weit über dem, was ein normaler DDR-Bürger in der Lohntüte hatte.
Das Buch ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Meilensteine der DDR-Popmusik, es enthält eine Menge Fotos, die aus Archiven zusammengetragen wurden und hat einen vom Verlag festgelegten Umfang. Von daher ist eine lückenlose Bestandsaufnahme des Ostrock schlicht unmöglich. Das leisten andere Bücher.
Dieses hier ist ein Stimmungsbild, so ähnlich wie ein impressionistischer Maler ein Bild malt.
Leseprobe
Eine Musikerkarriere
Amateurbands bekamen, wenn sie gut waren, einen FDJ-Fördervertrag oder sogar einen Vertrag mit dem FDJ-Zentralrat. Das war enorm wichtig, denn daran gekoppelt war meist die Förderung über Funk und Fernsehen. Welche Band einen solchen Fördervertrag erhielt, wurde auf der Suhler FDJ-Werkstattwoche der Jugendtanzmusik entschieden. Diese Veranstaltung war seit 1972 die Drehscheibe für alle Amateurbands mit eigenem Profil. Als ich 1985 zu Logo kam, hatte die Band gerade den Sonderpreis der Stop! Rock-Redaktion des Fernsehens gewonnen und einen Fördervertrag mit dem FDJ-Zentralrat bekommen. Sie gehörte zu dieser Zeit zusammen mit der Teenyband P 16 und den Rockrebellen Amor & die Kids zu den bekanntesten und erfolgreichsten Leipziger Rockbands. Gleich Mitte April hatten wir unseren Auftritt bei Rock für den Frieden im Berliner Palast der Republik. Das war die größte derartige Veranstaltung im Land. Wir standen auf der Bühne mit den angesagtesten DDR-Bands, angefangen von Rockhaus bis zu den Puhdys. Dieses Gefühl, mit zur Pop-Elite des Landes zu gehören, war einfach riesig. Ich traf auf alles, was Rang und Namen hatte, und schwebte gewissermaßen im siebenten Himmel des Erfolgs. Drei oder vier Tage dauerte dieses DDR-Rockfestival; Menschen über Menschen strömten jeden Tag in den Palast um ja keine Band zu verpassen. Das DDR-Fernsehen war live dabei und es gab ununterbrochen Auftritte, Interviews und Reportagen. Dank unseres Förderpreises durften wir mehrere Titel im Studio produzieren, gingen durch sämtliche DDR-Fernsehsendungen, wie zum Beispiel Stop! Rock, Klick und rund, und liefen im Rundfunk. Unser Song Komm war sogar zwei, drei Wochen auf Platz 1 der Radio DDR-Tipparade – vor den Puhdys.
1987 wechselte ich zu ZEBRA, einer Hallenser Profiband. Sie gehörte neben der M. Jones Band, den Klosterbrüdern (später Gruppe Magdeburg), Scheselong, Reggae Play und Juckreiz mit zum Besten, was die Sachsenanhalter Szene hervorgebracht hatte. Die Band gab ausschließlich Konzerte, was bedeutete, dass man nur noch anderthalb Stunden spielte und nicht mehr den ganzen Abend. Außerdem hatte sie zwei Programme auf Lager: zum einen ein Rockmusik-Programm und zum anderen ein Brecht/ Weill-Programm. Es gab zu dieser Zeit nur wenige Interpreten, die die Rechte der Brechterben erworben hatten – unter ihnen David Bowie – und damit die Erlaubnis, die Songs aus der Dreigroschenoper und anderen Stücken als Rock- oder Popvariante aufzuführen. ZEBRA zählte dazu. Ich war von dem Programm fasziniert. Es war nicht nur textlich und musikalisch in höchstem Maße anspruchsvoll, sondern ebenso vom Arrangement her, überhaupt von der gesamten Umsetzung, wobei ZEBRA-Sänger Jim Knuth den Brechtschen Sarkasmus 1a „rüberbrachte“. Dazu gehörte auch, dass Jim bei Soldaten wohnen auf den Kanonen mit dem Hitlergruß die Bühne entlang marschierte. Wir spielten in vielen kleineren Clubs; sämtliche Veranstaltungen waren immer ausverkauft. Das Rock-Programm absolvierten wir auf großen Sälen zusammen mit Rosalili, einer bekannten DDR-Boygroup, in der auch die Söhne zweier Puhdys spielten – und tourten quer durch die DDR.
Alles lief professionell. Es gab eine Managerin (Veronika), die sich um die Muggen kümmerte (nach der Wende managte sie Yvonne Catterfeld), und zwei Techniker, die die gesamte Anlage auf- und abbauten und sie in einem W 50, einem großen LKW, verstauten. Wir selber fuhren in zwei geräumigen Wolgas zu den Veranstaltungen. Die Gage war mehr als doppelt so hoch als bei Logo, zehn Muggen pro Monat garantiert. Außerdem winkten Westreisen und jedes Jahr eine sechswöchige Tournee durch die Sowjetunion. Noch dazu hatte die Band gerade eine Brecht/ Weill-Platte bei Amiga rausgebracht.